Arbeitslos? Und jetzt? An einem Tag hat man noch eine Beschäftigung und am nächsten Tag fehlt jegliche Routine und für viele auch der Sinn morgens aufzustehen. Man fühlt sich nutzlos, wertlos und alleine. Dazu kommt noch der soziale Druck und besonders in Deutschland haben wir ein sehr schlechtes Bild von Arbeitslosigkeit.
Ich allerdings gratuliere Menschen mittlerweile zur Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit bedeutet in meiner Welt eine Chance zur Veränderung und den Start von einem neuen Abenteuer.
Also nicht gleich durchdrehen. Man kann die Zeit als Chance sehen und für einen Neuanfang nutzen. Endlich mal runter kommen, sich Zeit für sich nehmen und das eigene Leben neu gestalten. Besonders wenn man noch Arbeitslosengeld bekommt sollte man sich nicht verrückt machen.
Hier sind 10 Tipps, wie du die gewonnene Zeit genießen kannst, in Ruhe die nächsten Schritte planst und gestärkt in eine neue Episode in deinem Leben eintrittst:
Tipp 1 – Lass dich nicht stressen
Es kann sein, dass dein gesamtes Umfeld, das Arbeitsamt, deine Freunde und Eltern dich anfangen zu stressen, so schnell wie möglich etwas Neues zu finden. Folgende Kommentare hört man doch ständig:
„Man muss beschäftigt bleiben.“ – „Man kann doch nicht einfach auf der faulen Haut sitzen.“ „Es gehört sich zu arbeiten, du willst doch nicht rumschmarotzen.“
Wenn Menschen mit etwas konfrontiert sind, das sie selbst nicht verkraften können, projizieren sie gerne ihre eigenen Ängste und Glaubenssätze auf Andere.
Arbeitslosigkeit ist bei vielen das gleiche Gefühl, wie wenn man etwas extrem peinliches angestellt hat und versucht den Fehler hektisch zu vertuschen, so dass es niemand bemerkt. Es ist gesellschaftlich extrem verpönt. Dabei ist dieses soziale Auffangnetz genau dafür konzipiert und eines der besten auf der Welt. Wir bezahlen jeden erwerbstätigen Monat in die Arbeitslosenkasse ein also können wir sie auch mal nutzen.
Also nehme nicht hektisch die erstbeste Möglichkeit an. Sondern:
Tipp 2 – Komm erstmal zur Ruhe
Nimm dir erstmal ein paar Tage Auszeit als hättest du Urlaub, setze dich mal an einem Wochentag vormittags in ein Café, fahre an einen See und beobachte das Treiben. Nimm dir mal wieder Zeit für Sport, probiere mal Yoga oder Meditation aus, um deinen Kopf etwas zu entschleunigen. Atme tief und langsam und entspanne aktiv, wenn du spazieren gehst. Du hast jetzt Zeit also genieße sie einfach.
Tipp 3 – Gehe zurück zum Zeichenbrett
Was willst du mit deinem Leben anstellen? Wolltest du vielleicht seit längerem schon etwas ändern, umziehen oder einen neuen Karrierepfad einschlagen? Jetzt ist deine Zeit. Setze dich mit Block und Stift mal hin und skizziere dein Leben neu. Wo willst du leben? Wie viel und was willst du arbeiten? Wie sieht dein Alltag aus? Mit welchen Menschen willst du deine Zeit verbringen? Erfinde dich von Grund auf neu und schöpfe Kraft und Motivation aus deiner neuen Lebensvorstellung.
Siehe dazu auch mein Video „Mach dir die Welt, wie sie dir gefällt“: https://www.youtube.com/watch?v=yET9x0DW1E4
Tipp 4 – Behalte deine Routine
Du bist jeden Tag um 7:00 Uhr aufgewacht, um zur Arbeit zu gehen? Dann tue es auch weiterhin (oder zumindest um 8:00 Uhr). Stehe auf, mach einen Spaziergang und hol dir an deinem Stamm-Kiosk einen Kaffee oder gehe erstmal eine Runde joggen. Wenn du jeden Tag bis 12 Uhr schlafen würdest bringt das deinen natürlichen Rhythmus durcheinander, sorgt für Antriebslosigkeit und schlechte Laune. Bleibe aktiv, mache Sport und treffe dich mit Menschen (und wenn es nur eine längere Unterhaltung mit der Bedienung im Kaffee ist). Kreiere eine Routine, die dir Spass macht und dich beschäftigt.
Tipp 5 – Der „schlimme Arbeitsmarkt“
Wir haben (besonders in Deutschland) so eine irrationale Angst davor, nie wieder einen Job zu finden. Doch das ist völlig unbegründet. Selbst drogensüchtige Ex-Knackis auf Entzug finden einen Job, wenn sie wollen, und das ist ja auch super so. Vielleicht gibt es nicht immer einen Job der genau deinen Vorstellungen oder deiner Karriere entspricht, aber es gibt immer Arbeit. Vielleicht ist das auch die Zeit, um mal in eine andere Branche zu gucken oder sogar mal einer ganz einfachen Tätigkeit nachzugehen. Ich habe nach meiner „IT-Karriere“ so viel von meiner Zeit als Canyoning-Guide, Cowboy, Weinbauer oder Hafenarbeiter gelernt. Auf jeden Fall macht man neue Erfahrungen und vielleicht lernt man etwas fürs Leben.
Tipp 6 – Nutze die Zeit für alles, was sonst liegen bleibt
Sieh es mal so: Du hast endlich Zeit für den ganzen Kram, der dauernd liegen geblieben ist. Räume den Keller auf, miste den Kleiderschrank aus und bring die Wohnung auf Hochglanz. Lege dir einen neuen Style zu und treffe dich mit Freunden, die du lange nicht gesehen hast. Mache einen Städtetrip, fahre mit dem Fahrrad bis an die Berge oder fange einen neuen Sport an. Erinnere dich an das, was du immer machen wolltest, wenn du genervt auf der Arbeit warst und dann tue genau das.
Tipp 7 – Regle deine Finanzen
Ja, man hat auch weniger Geld zur Verfügung. Der perfekte Zeitpunkt, um mal finanziell auszumisten.
Welche Abos brauchst du wirklich? Ist Netflix wirklich so bereichernd oder ist das nur Ablenkung? Welche Magazine und Zeitungen liest man überhaupt noch wirklich? Welche Versicherungen und Sparkonten sind wirklich nötig?
Wie oft geht man auswärts essen oder lässt man sich ständig Essen liefern? Vielleicht ist es an der Zeit mal selbst frisch zu kochen. Ich habe in Lissabon mit Leuten zusammen gewohnt, die fast ihren ganzen Monatsgehalt mit diesen Lieferdiensten verprasst haben. Natürlich hat man dann am Ende des Monats kein Geld mehr.
Als Resumée ist es einfach gut mal Überblick über die eigenen Ausgaben zu haben. Ich messe Reichtum mittlerweile nicht mehr am Gehaltscheck, sondern daran wie lange ich in meiner aktuellen Lebenssituation mit allen Ausgaben aber ohne geregeltes Einkommen gut leben kann . Ich kann bei meinem Lebensstil meistens mindestens 1 Jahr ohne Einkommen leben, auch wenn ich nur ein paar tausend Euro auf dem Konto habe.
Tipp 8 – Pass auf deinen Konsum auf
Noch ein Thema zu Finanzen: Verfalle nicht in einen Kauf- und Konsumrausch zur Kompensation von unguten Gefühlen. Ohne Routine und Ablenkung kann es gut sein, dass man sich schnelle Befriedigung im Konsum sucht. Kaufe am besten gar nichts. Du kannst wieder Dinge kaufen, wenn deine Finanzen geregelt sind und du gute Ersparnisse hast. Vielleicht eher wirklich mal komplett Shopping-Fasten und für eine Weile nichts neues kaufen. Keine Klamotten, keinen Fernseher, keine neue Technik.
Farin Urlaub hat mal in einem Podcast erzählt, wie er für Neuanschaffungen spart. Wenn er sich für einen Kauf entscheidet, spart er ab diesem Zeitpunkt bis er das Geld zusammen hat ohne vorheriges Kapital zu benutzen – auch wenn es ein Jahr und länger dauert. Ich fand das ist eine gute Herangehensweise, und manchmal braucht man danach diese Dinge garnicht mehr.
Tipp 9 – Scham ist nur ein Konstrukt unserer Gesellschaft
Schäme dich nicht für deine Situation. Ist wahrscheinlich leichter gesagt als getan, oder? Besonders in Deutschland definieren wir uns oft über unsere Arbeit und sobald jemand in dieses Weltbild nicht mehr reinpasst, wird das verurteilt. Aber: Leben ist nicht nur Arbeit! Freizeit, Nichts-tun, künstlerische Entfaltung, Entspannung, Reisen, Genießen sind genauso Teil vom Leben und sollten auch so wertgeschätzt werden. Das kann man leider nicht von anderen erwarten und muss sich selbst diese Zeit und Freiheit gönnen, weil man es sich selbst wert ist.
Tipp 10 – Erkenne dich selbst
Da wir uns so gerne über unsere Arbeit definieren, ist es umso schwieriger es auszuhalten, wenn wir nicht arbeiten. Die meisten Menschen identifizieren sich nun mal mit ihrer Arbeit, geben ihrem Leben Sinn durch ihre Arbeit und das macht es für viele unerträglich Arbeitslosigkeit zu ertragen. Viele haben ja auch schon Probleme damit ruhig zu bleiben, wenn man mal krank ist und zu Hause im Bett liegt. Diese innere Unruhe zu konfrontieren ist schwer, ist aber in meiner Erfahrung eines der wichtigsten Dinge im Leben.
Nimm dir mal Zeit, spüre in dich rein, entspanne dich und finde für dich selbst heraus, woher diese Unruhe kommt. Welche Meinungen, Glaubenssätze und Denkweisen drängen dich dazu, immer etwas tun zu müssen? Was passiert, wenn du einfach mal nichts tust? Wer bist du ohne deine Arbeit? Am besten ist es, sich mal ohne Ablenkung von Medien auf eine Parkbank zu setzen und einfach alle Gedanken und Gefühle, die hoch kommen, aufzuschreiben. Glaube mir, das kann sehr intensiv werden aber ich denke, je früher im Leben du diese Fragen für dich klärst, desto besser.
Extra Tipp – Genieße deine Zeit
Unabhängig von Zukunftsplanung, Selbstfindung und dem ganzen Kram – Gönne es dir einfach, deine freie Zeit zu genießen. Genieße das Arbeitslosengeld, genieße es unter der Woche an einem Vormittag schwimmen zu gehen, wenn niemand anders im Schwimmbad ist – oder was auch immer du gerne tust.