TRIGGERWARNUNG: Se*uelle Belästigung
Es ist nicht das erste Mal, dass ich an Weihnachten alleine bin. Nachdem ich mir einmal an einem lange vergangenen Weihnachten sehr viel Mühe gemacht habe und durch halb Deutschland gefahren bin, um alle Teile der Familie zu besuchen und ich durch die Vorkommnisse nur gestresst war, habe ich angefangen, diese Zeit für mich in Ruhe zu nutzen. Und dieses Geschenk der Stille, das ich mir da jährlich mache, ist wirklich der Himmel auf Erden. Also in gewissem Maße feiere ich diese Zeit für mich dann wohl doch.
Aber wahre Stille finden ist besonders auf Reisen manchmal gar nicht so einfach. Am Anfang meiner Reise, im Jahr 2015, war ich gerade in einer WG in Bangalore und wir nutzten die Gelegenheit für ein größeres, gemeinsames Abendessen. Das war allerdings auch noch echt nett. In Neuseeland war ich dann aber einmal gezwungen die Festtage mit total weihnachtsbegeisterten Mitbewohnern zu verbringen. Wir wohnten alle zusammen in dem Boardinghaus von dem Weingut für das wir arbeiteten und es gab kein Entkommen. Ich wollte einfach nur meine Ruhe aber alle waren super aufgekratzt und stressten sich in die Vorbereitungen. Es wurde stundenlang dekoriert, gebastelt und gekocht und am Ende saß ich mal wieder als einziger Vegetarier an einem Tisch voller toter Tiere und war gezwungen ein Lächeln aufzusetzen, wie alle Anderen auch. Da hatte ich doch die Abgeschiedenheit im vorigen Jahr in meinem eigenen Farmhaus in Australien mehr genossen. Aber genug gemeckert, ich bin ja jetzt in Spanien.
Ein paar besondere Besorgungen mache ich dann doch. Der Aldi in Spanien hat eine große Auswahl an veganen Spezialitäten und so gönne ich mir ein paar Dinge, die ich sonst niemals kaufe: Seitanschnitzel, Tofu-Hack und vegane Mortadella. Mal was Neues was ausprobieren, während der Feiertage.
Ich nehme mir vor, die Rauhnächte zu zelebrieren. Ein alter Brauch um das alte Jahr Revue passieren zu lassen und die Pläne und Visionen für das nächste Jahr zu manifestieren. Mit viel Ruhe und Meditation.
Der Tag vor dem Weihnachtsabend beginnt allerdings sehr unruhig. Um 3 Uhr nachts höre ich es plötzlich laut an der Tür klopfen und kurz darauf schallt auch die schrille Klingel von meiner Ferienwohnung. Außer mir wohnt hier niemand also muss ich wohl aufmachen. Ich öffne zuerst die Fenster und begrüße die drei Polizisten vor meinem Balkon mit einem verschlafenen ¡Hola!.
Während ich mir eine Hose überziehe und zur Tür schleiche, rennen die drei Polizisten allerdings wie verrückt davon und ich stehe alleine auf der Straße. Um 3 Uhr nachts. Ich könnte mir nichts schöneres vorstellen.
Einer der Polizisten kommt zurück und fragt mich irgendwas, was ich nicht verstehe. Mein spanisch ist eh schon schlecht – und um 3 Uhr nachts noch schlechter. Er zeigt mir ein Foto von einem jungen Mann. Ist das der Typ, der hier vor einer Woche die Tür eingetreten hat? Vielleicht, aber ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Er bittet mich die Polizei zu rufen, sollte ich irgendwas auffälliges bemerken und entschuldigt sich nochmal für die Störung. Zumindest hoffe ich, dass er sich entschuldigt. Es ist immerhin 3 Uhr morgens.
Sonst passiert an dem Tag nichts aufregendes. Ich ziehe von Café zu Strand, genieße die Ruhe und koche mir am Abend etwas nettes.
Der erste Weihnachtsfeiertag beginnt genauso absurd wie der vorige. Nachdem ich mir nach meiner ersten Rauhnacht meine Träume notiere, entscheide ich mich beim Sonnenaufgang am Strand zu meditieren und mache mich im Dunkeln auf Richtung Promenade. Auf halber Strecke hält plötzlich ein Auto neben mir und der Fahrer ruft mich heran. Es ist ein ziemlich ungepflegter, übergewichtiger Mann, der mich irgendwas auf spanisch fragt. Ich glaube er fragt nach dem Weg und ich antworte mit meinem Standardsatz: „No hablo mucho español“.
Doch er lässt nicht locker. Ich verstehe das Wort „Puta“ und er macht eine ziemlich klare Handbewegung, als würde er sich eine Banane in den Mund stecken. Ok, ich glaube zu verstehen, dass er nach „den leichten Damen der Straße“ sucht. Ich gebe mich neutral und meine nur „¿Aquí? No … y no se donde“ („Hier? Nein und ich weiß nicht wo.“)
Er lässt immer noch nicht locker. Er meint „No, No, Tú“ und zeigt auf mich. Währenddessen zückt er sein Handy, entsperrt es und ich erblicke ganz eindeutige Bilder, während er auf mich zeigt und wieder die Handbewegung macht. Ich stehe etwas ungläubig da, ein mulmiges Gefühl überkommt mich und ich kann nicht ganz glauben, dass der ungepflegte Typ in dem Auto mich am Weihnachtsmorgen fragt, ob ich mit ihm orale Abenteuer haben will. ¡Feliz Navidad!
Ich weigere mich ihn zu verstehen, trällere „No entiendo, no se“ („Ich verstehe nicht, ich weiß nicht“), während ich mich einfach von dem Wagen weg bewege und in die Fußgängerzone einbiege, wo er mir mit dem Auto nicht folgen kann.
Ich schüttele dieses mulmige Gefühl von mir ab und muss kurz darauf anfangen zu lachen. Es war zu surreal, um das ganze Ernst zu nehmen. Allerdings gestehe ich mir ein, dass es um einiges schlimmer wäre, wenn es jetzt mitten in der Nacht und ich eine Frau gewesen wäre. Es waren keine anderen Menschen weit und breit und der Typ hätte mich ja auch noch weiter verfolgen können, was er zum Glück nicht tat. Verrückte Welt, in der wir leben.
Der Rest meiner Weihnachtstage verläuft allerdings schön ruhig. Ich genieße die Zeit, toure weiterhin durch meine Cafés, probiere neue Techniken für Videoaufnahmen aus, plane meine Schreiberei und organisiere meine Notizen. Meine Träume während der Rauhnächte sind sehr intensiv und interessant zu notieren. Mit meinen Visionen und Ideen für das nächste Jahr fange ich an, mich richtig auf 2021 zu freuen. Ich erkenne viel Potential in dem kommenden Jahr und bin gespannt, wann sich meine Ideen manifestieren.
Guten Rutsch!