Es ist der 24. Oktober 2021, mein 35. Geburtstag. Ich sitze in meinem Stammcafe an der Uferpromenade des Tejo im Parque das Nações in Lissabon. Ich sehe die Fußgänger am Wasser spazieren und die Jogger, wie sie sich ungeduldig hüpfend durch die Menge schlängeln.
Ein Jogger auf der kleinen Brücke breitet plötzlich seine arme weit aus, als ob er die Welt umarmen wollte. Für einen Moment denke ich er lässt seinen Freiheitsgefühlen freien Lauf und symbolisiert seine imaginären Flügel. Doch ich habe mich getäuscht.
Er signalisiert der entgegen kommenden Gruppe nur auf sehr unhöfliche Weise, dass sie den ganzen Weg blockieren und sie gefälligst Platz machen sollen.
Naja. Entweder ich habe die Situation so eingeschätzt, weil ich grundsätzlich an das Gute im Menschen glaube oder meine Art die Dinge zu sehen spiegelt einfach meine innere Welt wieder.
Ja ich fühle mich frei. Nicht, weil ich viel reise oder in irgendeiner Stadt lebe, die einen schicken Namen hat. Auch ich arbeite zur Zeit mal wieder 9 to 5 und bezahle meine Rechnungen wie jeder andere Mensch auch. Es ist viel mehr diese wieder erlernte Leichtigkeit über die letzten Jahre, ein „Nicht-so-Ernst“ nehmen von gesellschaftlichen Konstrukten und Werten und die im Innern geschaffene Freiheit, mir zu jeder Zeit jede Art von Leben aufzubauen, irgendwo auf diesem Planeten. Und das ist ein wundervolles Gefühl.
Ein Mann begleitet seinen viel zu kleinen Hund mit Geschirr und Hundeleine zum Wassernapf. Doch das Restaurant hat die Schale für die kleinen Vierbeiner auf einer Palette aufgestellt und der Hund kann nicht mal sehen, dass da oben eine Erfrischung auf ihn wartet. Ohne sich zu bücken hebt der Mann einfach den ganzen Hund an der Leine nach oben. Dieser hängt nun mit einem völlig überraschten Blick wie eine Puppe in seinem Tragegeschirr, seine Pfoten baumeln schlapp nach unten und das ganze Konstrukt dreht sich wie ein sehr absurdes Perpetuum Mobile im Kreis. Der Mann vergisst kurz den Hund wieder abzusetzen, verliert sich kurz in Gedanken und so dreht sich dieser verdutzte Hund für eine Weile vor sich hin.
Ich bin völlig begeistert vom Anblick dieses kleinen, hilflosen, sich drehenden Geschöpfs.
Ich sitze fast 2 Stunden in meinem Café, lasse meinen Blick immer wieder über den Tejo schweifen und lese in meiner Krishnamurti Gesprächssammlung. Danach packe ich meine Sachen in Ruhe zusammen und nehme den Bus Richtung Innenstadt. Ein wenig werde ich heute noch an Projekten arbeiten, etwas schreiben und Videos schneiden und später geht es gemeinsam mit einer Freundin zum Abendessen. Ich liebe meine planlosen Wochenenden in Lissabon.